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Es war einmal in Tilsit

Tilsit? Kommt da nicht der Käse her? Doch, das stimmt schon. Zumindest ursprünglich. Heute wird der Käse woanders produziert. Tilsit war die östlichste Stadt Deutschlands, direkt an der Memel. Die Menschen waren selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger Preußens mit einer großen Zuneigung zur Königin Luise – Preußens Königin der Herzen, wie jemand mal schrieb. Sie hat im Frieden von Tilsit 1807 versucht, dem französischen Aggressor Napoleon gute Friedensbedingungen für Preußen abzutrotzen. Hat wegen des ungeschickten Vorgehens ihres Mannes Friedrich Wilhelm III. nicht ganz geklappt, wie die Historiker behaupten. Ein Versuch war es jedenfalls wert.

Tilsiter schrieben Geschichte

Aus Tilsit kommen viele Promis: Der romantische Dichter Max von Schenkendorf (“ Die Freiheit, die ich meine“) und der Schriftsteller Johannes Bobrowski. Der „Hauptmann von Köpenick“ war anfangs eher der  vorbestrafte Schuster Wilhelm Voigt aus Tilsit. Auch stammt von hier der Musiker und Schauspieler Armin Müller-Stahl. Der 1944er war wohl ein besonders guter Jahrgang:  Zwei „Hidden Champions“ der Musik sind gebürtige Tilsiter: Joachim Fritz Krauledat und Edgar Froese. Nie gehört? Der erstere wurde zu John Kay und leitete über 50 Jahre lang als Frontmann die legendäre Band Steppenwolf (https://steppenwolf.com/p-4268-john-kay.html). Der zweitere gründete die einflussreiche Progressive Rock-Band TANGERINE DREAM – ein kreatives Urgestein der elektronischen Musik (www.tangerinedream-music.com).

Tilsit nach dem Krieg – die Stadt Sowjetsk

Tilsit war eine schöne Stadt. Heute nicht mehr. Das heutige Sowjetsk, wie die Stadt seit 1946 heißt, ist erschreckend verwahrlost, die vielen Sowjet-Bauten sind meist hässlich und heruntergekommen. Es stehen nur noch ca. 30 % der alten deutschen Stadt. Alle sieben Kirchen Tilsits sind weg, die meisten nach dem Krieg durch Brandstiftung oder Verfall. Nur die Kreuzkirche gibt es noch – sie ist verstümmelt und heute eine Fabrik. Man muss schon genau hinsehen, sonst geht man achtlos daran vorbei.

Das heutige Sowjetsk – die Stadt Tilsit

Doch es gibt Hoffnung: Die ansonsten eher träge Stadtverwaltung hat das Tilsiter Wappen als Wappen von Sowjetsk wieder eingeführt, das örtliche Stadtmuseum informiert offen und engagiert über die deutsche Vergangenheit, das Königin Luise-Denkmal steht wieder und auf dem Platz vor dem ehem. Landgericht ist ein deutscher Straßenzug mit deutschsprachigen Straßenschildern und der berühmten Elch-Skulptur liebevoll hergerichtet. Viele Einwohnerinnen und Einwohner sind historisch interessiert und fordern verantwortungsbewusst die Stadtverwaltung auf, den Verfall zu stoppen. Ansonsten gehen die Uhren in Tilsit/Sowjetsk etwas langsamer als anderswo. So wie früher.

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